Licht wird von sechs Dutzend verchromten Seitenspiegeln reflektiert. Reihen von Michelin-Männchen-Figuren prangen stolz auf dem Dach der Kabine. Ausgedehnte, kunstvolle Wandmalereien zeigen Anime-Figuren, Comic-Superhelden und fantastische Traumlandschaften.
Wenn Ihnen diese Bilder bekannt vorkommen, haben Sie wahrscheinlich schon die kunstvoll dekorierten und modifizierten Lastwagen und Busse in Thailand gesehen.
Warum sind thailändischen LKW und Busse so aufwendig dekoriert?
In Thailand sind dekorierte Lastwagen und Busse nicht einfach nur Fahrzeuge. Sie sind Leinwände, Statussymbole und persönliche Statements zugleich. Die schiere Vielfalt der Designs offenbart einen künstlerischen Impuls, lokalen Stolz mit globaler Vorstellungskraft zu verbinden.
Obwohl sie praktischen Zwecken dienen, wie etwa der Abwehr von Dieben oder der Kundengewinnung, sind diese Dekorationen in erster Linie Ausdruck der individuellen Identität in einem Land, in dem Autofahrer oft ihre eigenen Fahrzeuge besitzen und fahren. Ihre modifizierten Außenfassaden, ob von professionellen Künstlern bemalt oder mit importiertem Chrom aufgepeppt, spiegeln allgemeinere kulturelle Werte wider: ästhetische Experimente, familiäre Bindungen und den Wunsch, in einer überfüllten Welt hervorzustechen.
Anime-Kunst, farbenfrohe Cartoons und traditionelle Bilder in thailändischen Bussen
Eine 2013 vom Anthropologen Erik Cohen durchgeführte Studie ergab, dass die Airbrush-Malereien auf thailändischen Charter- und Reisebussen keinen einheitlichen, thailändischen Stil aufweisen, anders als die LKW-Kunst in anderen Ländern wie Pakistan und den Philippinen.
Vielmehr greifen die Kunstwerke oft vier große kulturelle Kategorien auf: amerikanische Populärkultur, japanische und koreanische Populärkultur, thailändische „traditionelle“ Kultur und chinesische „traditionelle“ Kultur. Dies deutet darauf hin, dass thailändische Fahrzeugdekorationen eine globalisierte Kunstform sind, die Motive aus Kulturen mit dominanter globaler Präsenz aufgreift.
Darüber hinaus konnte Cohen auf thailändischen Bussen keine offensichtlichen religiösen oder politischen Botschaften erkennen. Gelegentlich finden sich Darstellungen religiöser Symbole (wie des christlichen Kreuzes) oder historischer politischer Persönlichkeiten (wie Fidel Castro), doch werden diese Bilder oft aufgrund ihrer ästhetischen Erscheinung ausgewählt, ohne dass ihre symbolische Bedeutung umfassend verstanden wird.
Umgekehrt sollen religiöse oder politische Symbole auf Fahrzeugen in anderen Teilen der Welt meist ihre ursprüngliche Bedeutung wiedergeben. So schmücken beispielsweise einige hinduistische Tuk-Tuk-Fahrer in Indien ihre Fahrzeuge mit Bildern oder Mantras hinduistischer Götter, um ihre Hingabe auszudrücken und möglicherweise Vorteile wie Reichtum und Schutz zu erlangen.
Das Fehlen religiöser oder politischer Botschaften auf thailändischen Reisebussen deutet auf eine eher ästhetische, persönliche und kommerzielle Motivation zur individuellen Unterscheidung hin.
Thailändische Truck-Kunst: Farbenfrohe Malereien, Dekorationen und Modifikationen
Diese Ergebnisse stimmen auch bei modifizierten und lackierten Lkw weitgehend überein. Die beliebtesten Marken für diese großen Lkw in Thailand sind Hino, Toyota und Isuzu. Diese Marken statten ihre Fahrzeuge jedoch nur mit Standardkomponenten und in den Grundfarben aus. Warum also schmücken viele thailändische Fahrer ihre Lkw so besonders?
„Es war schon immer mein Traum, einen eigenen schicken Lkw zu bauen“, sagte Lkw-Fahrer Wongdara Wichukorn 2018 in einem Interview mit Agence France-Presse.
Wongdara besitzt einen leuchtend grünen Isuzu-Lkw mit einem Einhorn an der Seite, das seine Tochter entworfen hat. Das Einhorn lenkt die Aufmerksamkeit auf das Fahrzeug, und Wongdara hofft, dass es dadurch Benzindiebe abschreckt.
„Was bringt mir das? Ich bin stolz, wenn die Leute kommen, um meine Lkw anzuschauen und ihre Schönheit zu loben.“
Wongdaras Aussage (unter anderem) belegt, dass viele thailändische Fahrer persönliche und geschäftliche Gründe haben, ihre Fahrzeuge durch Truck-Art hervorstechen zu lassen.
Bemalungen sind nicht die einzige Möglichkeit, diese Lkw zu schmücken. Viele verfügen auch über zusätzlichen Schnickschnack – im wahrsten Sinne des Wortes! Modifikationen wie verchromte Kühlergrills, Auspuffrohre, Seitenspiegel und Scheinwerfer zieren diese kunstvollen Trucks häufig.
Obwohl umfangreiche Fahrzeugmodifikationen in Thailand strenggenommen illegal sind, wird dieses Gesetz aufgrund der allgemeinen Bewunderung für den künstlerischen und kulturellen Wert dieser Fahrzeuge selten durchgesetzt.
Wie kommen Fahrer an diese transformatorartigen Fahrzeuge? The Thaiger sprach mit Nathpapas Changchun, einem Vertreter der Soonchai Nakhonpathom Group, um Antworten zu erhalten.
Die Soonchai Group ist ein 1970 gegründetes Karosseriebauunternehmen, das Fahrzeuge nach Kundenwunsch umbaut. Einer ihrer Kunden war beispielsweise im Elefantentransport tätig, weshalb Soonchai ein hydraulisches System installierte, um Elefanten in die Lastwagen zu verladen.
Die Soonchai Group ist auch bei Fahrern beliebt, die ihre Fahrzeuge dekorieren möchten. Soonchai beschäftigt Künstlerteams, die die Lastwagen entweder von Hand oder mit Airbrush bemalen.
Laut Nathpapas wünschen sich Kunden Farben oder Designs für ihre LKW-Kunst, die ihnen persönlich gefallen oder für sie oder ihre Familie eine Bedeutung haben:
„Zum Beispiel ein Landwirtschafts-LKW, und sie wünschen sich einen One Piece-Cartoon [eine japanische Anime-Serie]. Sie sind zwar nicht im Videogeschäft, aber vielleicht gefällt es ihrem Kind.“
Kosten für den Einbau dieser Modifikationen
Umbauten wie zusätzliche Seitenspiegel und Scheinwerfer werden von Soonchai nicht produziert oder verkauft, da sie technisch illegal sind. Auf Wunsch des Kunden werden sie jedoch eingebaut.
Diese Installationen können extrem teuer sein. Ein verchromter Kühlergrill inklusive Montage kann beispielsweise rund 180.000 Baht kosten. Jedes Seitenspiegel-Set (normalerweise etwa 10–12 Spiegel pro Set) kann rund 60.000 Baht kosten. Die Installation einer Michelin-Männchen-Figur, die Autofahrer bei jedem Reifenwechsel durch Michelin-Reifen erhalten, kostet rund 2.000 Baht.
Aufgrund dieser hohen Preise schlug Nathpapas vor, dass diese dekorativen Accessoires für Autofahrer eine Möglichkeit seien, ihren Reichtum und Stolz zu zeigen. Tatsächlich gibt es jährlich einige Treffen dieser extravaganten Fahrzeuge, bei denen die Besitzer ihre eigenen Fahrzeuge präsentieren und andere bewundern. Bei manchen Veranstaltungen finden sogar Lkw-Rennen statt!
Ob aus Schönheitsgründen, aus geschäftlichen Gründen oder um anzugeben – Thailands Bus- und Lkw-Kunst spiegelt die Fantasie ihrer Fahrer wider. Auf Straßen und Autobahnen im ganzen Land dienen diese Fahrzeuge gleichzeitig als bewegliche Leinwände und persönliche Werbetafeln. Letztendlich verwandeln sie Thailands Straßen in lebendige Galerien des Stolzes und der Persönlichkeit.